Text: Jörg Boström
Fotografien aktuell: Jörg Boström, Annette Bültmann
Fotografien historisch: Archivaufnahmen
Die Stadt Minden hat für mich eine ganz frühe Erinnerung aus meiner Kindheit. Der Zug, auf der Reise ins Ruhrgebiet, hat plötzlich in Minden gehalten. Mein Bruder stieg aus, und hatte das Gepäck schon auf dem Boden, als der Zug schon weiterfuhr. Meine Mutter und ich waren voller Sorge, aber der Zug hielt nun wieder, und fuhr zurück nach Minden. So konnten wir den Bruder wieder einladen und dann weiterfahren nach Dinslaken. Das ist meine früheste Erinnerung an Minden.
Ich laufe gerne durch die Gassen und Straßen, ich laufe durch die Geschichte Mindens dabei. Ich denke dabei dass man auch als Mensch ein Stück Geschichte ist. Da Minden als Kindheitserinnerung aus der Kriegszeit im Kopf ist, hat es mich verwundert dass meine Frau nun auf lange Zeit immer wieder in Minden zuhause ist und ihre Arbeit hat als Lehrerin und Künstlerin. Ich bin auf diese Weise in eine schöne alte Wohnung gezogen, so dass wir auf diese Weise in Verbindung mit Minden und seiner Geschichte leben. Dadurch hat mich der Gang durch die Stadt mit der Kamera angeregt, von den Gebäuden aus historischer Sicht gegenwärtige Fotografien zu machen. So verbindet sich das Leben der Gegenwart mit den Häusern und Straßen der Vergangenheit.
In einer solchen Stadt ist man auf diese Weise auch ein Teil der Geschichte, die man mit Fotografie und Text dokumentiert.
Haus Hagemeyer, ein Patrizierhaus der Weserrenaissance, wurde laut Inschrift am Türsturz im Jahre 1592 erbaut. Zunächst wurde vermutet, da zu dieser Zeit die Bierbrauerei in der Stadt Minden Hochkonjunktur hatte, dass es sich um ein Haus der Mindener Brauer gehandelt haben könnte. Aber diese Vermutung wurde nicht bestätigt, später stellte sich heraus, dass der Hausherr vermutlich ein Tuchhändler war.
Durch Entschlüsselung der Wappen am Türsturz wurden als Erbauer der Mindener Bürgermeister und Kaufmann Thomas von Kampen (1541 – 1586) und seine Frau Wobbeke Clare (1544 – 1606) identifiziert. In einer teilweise lateinischen Inschrift in der Martinikirche sind ihre Lebensdaten zu erfahren, und ein 1583 gestiftetes Taufbecken aus Messing, hergestellt in Antwerpen, in der Martinikirche trägt ebenfalls ihre Wappen. Das Patrizierhaus wurde wohl nach dem Tode des Thomas von Kampen von seiner Witwe fertiggestellt. Die mittleren Giebelfiguren halten geraffte Tücher, was auf das Gewerbe des Tuchhändlers hindeutet.
Weitere Figuren sitzen in den Giebelstufen, teils einander zugewandt, teils den Blick in die Ferne gerichtet. Diese, ebenso wie die Zierquader der rundbogigen Luken, werden im Text von Dr. Jürgen Soenke in der Schrift zum 90.Jubiläum des Kaufhauses Hagemeyer, erschienen im Jahr 1969, als flämische Stilelemente bezeichnet, desweiteren erinnert ihn die Fassade insgesamt an südniederländische Gildehäuser, was nicht erstaunt, da zum einen die Vorfahren des Thomas von Kampen, wie der Name schon sagt, aus der niederländischen Stadt Kampen stammten. Zum anderen gab es in Minden niederländische Baumeister und Bildhauer, in der Festschrift werden die Meister Arend Robin, dessen Geburtsort unbekannt ist, und Johann Robyn aus Ypern, genannt. Dessen Werk zeichnet sich demnach unter anderem durch maßwerkartig perforierte Voluten aus, wie sie am Rathaus von Stadthagen, und auch am Hagemeyerhaus zu finden sind, desweiteren an dem Mindener Haus Bäckerstraße 45. Generell gab es einen niederländischen Einfluss in der Bildhauerkunst und plastischen Dekoration der damaligen Zeit, den sogenannten Florisstil, benannt nach dem Antwerpener Cornelis Floris (1514 – 1575), der sich im Verlauf der nordischen Renaissance von England bis Polen verbreitete und dem Manierismus zugeordnet wird. Der Manierismus brachte schlangen- schnecken- und ohrmuschelartige Formen hervor, Figura serpentinata, schlangenförmige Figur. Er bildete den Übergang von der Spätrenaissance zum Barock.
Die Alte Münze, entstanden ca. 1260, hat einen Staffelgiebel und gotische Maßwerkfenster. Sie ist laut Wikipedia das älteste Steinhaus in Westfalen. Gemeint ist damit das erste bürgerliche Wohnhaus, da diese früher meist Fachwerkhäuser waren, während aus Stein zu dieser Zeit bereits Burgen und Kirchen gebaut wurden (Romanik, Gotik). In der alten Münze befindet sich heute ein Restaurant. In der Nähe liegen einige Fachwerkhäuser, unter anderem mit einem Puppenmuseum.
“Es wirkt älter als es eigentlich ist. 1909 errichtete der Kaufmann Hermann Schmieding dieses Haus mit seiner malerischen Fachwerkfassade. Es ist ein typisches Beispiel für die historisierende Baukunst des zu Ende gehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Baustile vergangener Epochen spiegeln sich hier wider.
Hier ist es die nordische Renaissance, auf die durch die Fachwerkgliederung, den vorragenden Erker und das sehr steile Dach Bezug genommen wird. Auch die reichen Pflanzenornamente weisen auf die Renaissance zurück, zeigen aber gleichzeitig deutliche Jugendstileinflüsse.”
http://minden-erleben.marktplatz-digital.de/minden/in-der-naehe/haus-schmieding
Immer wieder sind Kirchen und Domgebäude Dokumente der Stadtgeschichte,
sichtbar und unübersehbar.