In Deinem Spiegel
Ralf Witthaus‘ Kunstprojekt um den Spiegelweiher am Schloss Benrath

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Text: Julius Tambornino
Fotografien: Harald Neumann und Ralf Witthaus

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Die Architektur des Schlosses in Düsseldorf-Benrath ist einzigartig. Versehen mit einem Wandaufriss, der die eigentliche Größe des Gebäudes zu weiten Teilen hinter sich verbirgt, treibt sie ein grundlegendes Prinzip höfischer Repräsentation auf die Spitze: Hier wurde das undurchsichtige, aber enorm wichtige Verhältnis zwischen Innen und Außen grundsätzlich zugunsten der Funktionalität des Inneren ausgelegt. Zugleich aber legte Nicolas de Pigage als leitender Architekt einen Schleier über die profanen inneren Aufgaben und Notwendigkeiten des Bauwerks.
Das Schloss kann deshalb nicht nur im Kontext der Architekturgeschichte, sondern auch übertragen auf das gesamte Selbstverständnis und die Funktionsweise monarchischer Herrschaft als ertragreiches Sinnbild für die Souveränität des Äußeren über das Innere gelesen werden. Die substanzielle Geste der Fassade mit nur zwei sichtbaren Geschossen ist eine paradoxe Bescheidenheit und Leichtigkeit, die sich – ganz entgegen ihres eigentlichen Sinns – nicht selbst genügt, sondern als Idealbild dem Zweck verpflichtet ist, einen Schein aufrecht zu erhalten.

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Diese Disposition des Ortes wurde von seiner eigenen Geschichte weiter getragen: Nur kurz war es dem Jagd und Lustschloss vergönnt in seiner angestammten Bestimmung als Sommerresidenz des Kurfürsten Karl Theodor zu blühen. Als der Fürst im Jahre 1777 das Erbe des Kurfürstentums Bayern antrat, verlegte er seinen Amtssitz von Mannheim nach München und auch Benrath verlor seine ursprüngliche Bedeutung. Mit Karl Theodor als Stammgast verließ auch die Düsseldorfer Gemäldegalerie – eine der bedeutendsten Kunstsammlungen des Barock – das Rheinland und legte später den Grundstein für die weltberühmte Alte Pinakothek in München.
All dies macht die Geschichte des Schlosses Benrath zu einer der unerfüllten Bestimmungen und des Wartens auf eine Rückkehr verlorenen Glanzes. Das Schloss wurde zeitweilig zu einer unausgefüllten Hülle und näherte sich auf diese Weise dem Prinzip seiner eigenen Fassade an.
Der große Spiegelweiher, einst angelegt als Bestandteil der architektonischen Idee, verdoppelt in seiner Reflexion das Antlitz des Schlosses. Er ist deshalb genau der richtige Platz für eine sprechende Rasenmäherzeichnung von Ralf Witthaus, die sich mit möglichen Projektionen beschäftigt, die das Volk auf das Gebäude warf.

Ich Dein liebendes Gefolge,
hänge voller Wonne an den Nägeln Deiner Bilder.
Kleines hübsches Haus voller Größe, so leer.
Mein Herz springt über Deinen Spiegel und ich schaue mich in Dir.
Halte mich an meinem Abbild fest, damit ich ferner glaube
und Nähe finde.

Diese poetische Anrufung säumt den Spiegelweiher auf einer Strecke von einem Kilometer – als Schriftband in den Rasen eingeschrieben. Sie nimmt dabei Bezug auf den lieblichen Ton schriftlicher Anrede vom Volk an den Herrscher zur Zeit des Barock.
Ralf Witthaus einzigartige Rasenmäherzeichnungen verstehen sich grundsätzlich als Interventionen in ganz besondere öffentliche Räume. Die Historie des Ortes soll sich in der Zeichnung nicht bloß widerspiegeln, sondern dadurch, dass sie als Eingriff in die Rasenfläche Teil seiner Substanz wird, für einen begrenzten Zeitraum in ihr wieder lebendig werden. Der Weg um den Spiegelweiher, zur Blütezeit des Schlosses als Flaniermeile ein Ort der oberflächlichen Begegnung wird durch den Eingriff zu einem tiefgründigen Rundgang der Erinnerung an die bewegte Geschichte des Schlosses, deren Aktualität in ihrer Funktion als Sinnbild für das gespannte Verhältnis zwischen Schein und Sein liegt.

Das Kunstprojekt entstand anlässlich der Ausstellung „SehensWert. Die Planungs- und Baugeschichte der Benrather Schlösser“ im Museum für Europäische Gartenkunst.

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