Interview des vm2000.net mit Jörg Boström
Du hast ja im Ruhrgebiet so einige Fotos gemacht, würdest Du Dich daher unter anderem auch als Ruhrgebietsfotograf bezeichnen?
Ja, aber das ist nur ein Thema bei meinen vielen Fotografien. Aber das Ruhrgebiet spielt in meinen Fotografien wirklich eine große Rolle.
Sowohl Menschen und Wohngebiete, als auch Industrieanlagen geraten immer wieder in den Focus der Ruhrgebietsfotografie, und Dich hat beides anscheinend interessiert?
Jaja, ich war selber auch „Kind des Ruhrgebiets“, wie mich einmal jemand genannt hat, und insofern interessiert mich das immer wieder. Sowohl die Fotos zu gucken, wie auch neue Fotos, falls ich mal wieder im Ruhrgebiet bin, zu machen. Aber meine eigenen Fotos interessieren mich auch immer wieder.
Hmhm. Und Du hast anscheinend ein Interesse sowohl für Industrieanlagen, als auch für Menschen.
Ja. Ich habe auch beides immer wieder fotografiert.
Du bist ja in Duisburg geboren, hast aber auch längere Zeit in Dinslaken verbracht, und bist demnach selber auch ein Ruhrpöttler?
Ja, das kann man wohl sagen. Das Ruhrgebiet ist jedenfalls meine hauptsächliche Erinnerung und Heimat.
Hmhm. Du bist vielleicht sogar in stärkerem Maße Ruhrpöttler, als Rheinländer?
Ja, ich war ja auch längere Zeit in Köln. Also ich bin nicht, ich kann das nicht vergleichen, was nun wichtiger ist für mich. Aber das Ruhrgebiet spielt für mich, zumal ich da geboren bin, immer wieder eine Rolle.
Also, Duisburg liegt auch nicht allzu weit von Düsseldorf entfernt, oder?
Nein, nicht so weit, Düsseldorf ist nah dran, und Düsseldorf war auch längere Zeit meine Stadt, wo ich gewohnt, aber auch studiert habe, da war ja die Akademie.
Hmhm. Und insofern wäre die Frage ob Duisburg überhaupt auch zum Ruhrgebiet gehört, oder gleichzeitig auch zum Rheinland?
Natürlich gehört es auch zum Rheinland, aber es ist schon Teil des Ruhrgebiets. Ich bin, wie jemand mal mich genannt hat, ein Kind des Ruhrgebiets.
Hmhm, ich denke auch dass man das so sagen kann. Und man könnte vielleicht aber auch sagen, dass Du auch gleichzeitig ein kleines bisschen Rheinländer bist, manchmal.
Ja, ich bin ja auch im Rheinland lange gewesen. Und als Kind konnte ich ja am Rhein auch langspazieren. Dinslaken liegt ja dicht am Rhein.
Dinslaken, ah ja. Und gehört auch gleichzeitig zum Ruhrgebiet?
Ja, irgendwie schon. Ist jedenfalls nicht weit bis Duisburg. Und bis Düsseldorf, es hat zu beiden Städten eine nahe Lage.
Hast Du die beiden Städte, Duisburg und Dinslaken, als typische Ruhrgebietsstädte in Erinnerung? Z.B. mit Industrieanlagen und rauchenden Schloten?
Ja, aber hauptsächlich Duisburg, würde ich sagen. Aber in Dinslaken war ja auch die Fabrik, wo mein Vater gearbeitet hat.
Ah ja, stimmt, insofern hast Du natürlich dann auch Industrieanlagen gesehen.
Ja, selbstverständlich. Gesehen und fotografiert.
Und Duisburg ist teilweise so dass da auch sehr stadtnah die Schlote rauchen, wenn ich das richtig verstanden habe?
Ja, das kann man wohl sagen, ja.
Zum Beispiel Bruckhausen, das muss direkt neben einer Industrieanlage liegen.
Ja, Bruckhausen ja. In Bruckhausen war ich ja öfter, weil ich da auch einen Freund hatte, Michael Höhn, der Pfarrer da war.
Das war damals, als Bruckhausen auch schonmal abgerissen werden sollte, ich weiß garnicht mehr genau, wann das war?
Ja, da haben wir gekämpft, für Bruckhausen. Rettet Bruckhausen, ne, haben wir so ein Projekt draus gemacht. Und tatsächlich ist uns das ja auch gelungen, wenn man so will. Bruckhausen steht heute immer noch.
Ich glaube allerdings, nur teilweise, weil, einen Teil von Bruckhausen hat man abgerissen, irgendwie teilweise renaturiert, wenn ich das richtig verstanden habe.
Ja, genau.
Aber bei Eisenheim ist es Euch ja gelungen, die Siedlung vollständig zu retten.
Ja. Das war hauptsächlich natürlich die Arbeit von Roland Günter, der ja auch in Eisenheim dann eine Wohnung genommen hat, und da gewohnt hat. Er hat ständig gekämpft für Eisenheim, und das ist ihm auch gelungen. Eisenheim zum Ruhrgebiets- äh ja Museum nicht, aber…
Doch ich glaube da gibt es auch ein Museum…
…genau; zu machen. Als wichtiges Dokument der Geschichte.
Das würde ich auch so sehen. Das ist auf jeden Fall eine gute Sache und auch ein Erfolg Eures damaligen Projekts, natürlich auch ein Erfolg für die Bewohner.
Ja, auf jeden Fall. Die Fotos von Eisenheim kannst Du Dir ja angucken, die sind ja im Netz.
Die Arbeitswelt im Ruhrgebiet hattest Du dann auch während Deiner Zeit als Professor am Fachbereich Gestaltung in Bielefeld fotografiert. Die typischen Bereiche der Ruhrgebietsindustrie, wie Zechen, oder auch Hochöfen, wurden damals bereits großenteils wieder stillgelegt?
Das habe ich auch mit Studenten als Projekt gemacht. Du müsstest Du auch Fotos von den Studenten im Netz finden, meine sowieso.
Also das war damals das Projektstudium am Fachbereich, man hatte dann Projekte, die… ähm, teilweise auch…
Ja, genau. Die Hochöfen wurde damals, das stimmt schon, bereits größtenteils stillgelegt.
Viele Industrieanlagen sind ja inzwischen Museen. Was inzwischen auch teilweise ein Museum ist, ist zum Beispiel Hattingen, da hattest Du ja auch damals fotografiert, und da gibt es inzwischen das Museum Henrichshütte Hattingen.
Jaja, das war ein Hochofen, der wurde auch fotografiert von mir und anderen.
Der war noch in Betrieb, als Ihr da fotografiert habt, oder gerade stillgelegt?
Ja, gerade glaube ich stillgelegt.
Das muss ziemlich eindrucksvoll sein.
Ja, war es auch. Du kannst die Fotos ja angucken. Die sind ja im Netz.
Ich finde die auch eindrucksvoll, Deine Fotos.
Ich selber auch, obwohl sie von mir sind, aber eindrucksvoll war eben die Szene Hattingen Hochofen.
So ein Hochofen muss ja riesengroß sein.
Ja, ist er auch. Da kannst Du klettern, eh Du da oben bist.
Hat Ähnlichkeit mit Bergsteigen, oder so?
Bitte?
Hat vielleicht Ähnlichkeit mit Bergsteigen?
Nee, da musst Du eine Treppe steigen, nicht nen Berg.
Stimmt, irgendwo sieht man auch eine Treppe auf einem Foto.
Eine endlose Treppe, ja. Bist Du oben bist, das dauert schon ganz schön lange.
1987 wurde wohl die Stilllegung des Hochofens verkündet, und es gab dann auch Widerstand dagegen.
Ja, die Arbeiter haben natürlich protestiert, die verloren ja ihren Arbeitsplatz.
Im Dezember 1987 war der letzte Abstich des Hochofens, der Hochofen II wurde nach China verkauft und 1990 von einem chinesischen Bautrupp demontiert. Dann müsste Euer Fotoprojekt zwischen Dezember 1987 und 1990 stattgefunden haben.
Ja. Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Müsste ich mal bei meinen Fotos gucken, ich glaube ich habe die datiert.
Ich kann mich erinnern dass Du irgendwo auf einem Foto noch ein Schild hattest „Nicht für China“, d.h. es wurden da die Teile sortiert.
Da war so ein Plakat. Die Chinesen haben Einiges im Ruhrgebiet demontiert, und transportiert nach China, ne. Nur manches wollten die Ruhrpötter nicht, und dann haben sie sich dagegen gewehrt.
Der Hochofen II wurde nach China verkauft, aber anscheinend gab es auch Teile, die nicht nach China kamen, sonst hättest Du ja wahrscheinlich nicht dieses Schild „Nicht für China“ fotografiert. Ich schließe daraus dass Ihr da vielleicht 1989 fotografiert habt, also irgendwann vor der Demontage durch den chinesischen Trupp.
Das kann schon sein, ja.
Wobei, ich glaube, Du hast auch irgendwann mal die Demontage fotografiert, oder gemalt.
Ja, ich glaube ja.
Man sieht irgendwann mal auf Deinen Bildern so einen Trupp von nicht allzu großen Männern, die da irgendwie Teile transportieren.
Ja.
Das müsste dann eigentlich der chinesische Demontagetrupp gewesen sein.
Kann sein, ja, weiß ich nicht mehr.
Kann es sein, dass Du das sowohl als Fotografie als auch als Malerei hast?
Ich hab Malerei betrieben nach meinen Fotografien, das kann also sehr gut beides sein. Ich muss mal gucken bei meinen Malereien, was dabei ist.
Dann muss ich das mal raussuchen, das entsprechende Gemälde, was mir jetzt gerade vorschwebt.
Ja.
Da sieht man dann, denke ich, wieder die Verbindung von Fotografie und Malerei.
Ja.
Die Du ja öfters schon in Deinen Arbeiten hattest. War das Ruhrgebiet vielleicht einer der Gründe dafür, dass Du Fotografie und Malerei immer wieder in Verbindung gebracht hast?
Nein, nicht unbedingt der Grund, aber das war damals mein Hauptthema, und ich habe immer Fotografie und Malerei in Verbindung gebracht. Es gibt ja auch aus Mecklenburg Bilder, Malerei und Fotografie, nicht nur aus dem Ruhrgebiet. Aber das war für mich auch ein wichtiges Thema. Das war ja sozusagen meine Heimat, ich bin ja in Duisburg geboren.
Heute zieht es Dich nicht mehr so sehr ins Ruhrgebiet, oder warst Du in letzter Zeit mal da?
Ich war lange nicht mehr da.
Wusstest Du dass es auch eine Gelehrtenbibliothek gibt in Eisenheim. Das würde Dir wahrscheinlich gefallen, das blaue Haus der vielen Bücher, „ein Kleinod mit 20.000 Bänden zur Kulturgeschichte und sozialen Stadtentwicklung“, steht da.
Ja, toll. Ja, wirklich. Das ist sicherlich Roland zu verdanken.
Da müssen aber auch andere Leute mitgewirkt haben, denn alleine kann man es wahrscheinlich nicht schaffen, 20.000 Bücher zu besorgen.
Nein. Andere Leute haben da mitgemacht, selbstverständlich.
Du bist ja allerdings auch nicht ganz unschuldig daran, denn Du hast ja schliesslich auch mitgewirkt an der Rettung von Eisenheim.
Jaja, klar. Wir haben ja zusammen auch ein Buch gemacht, „Rettet Eisenheim“.
Rettet Eisenheim. Eisenheim 1844-1972. Buch Projektgruppe Eisenheim mit Jörg Boström und Roland Günter, 1. Auflage: Bielefeld 1973. 2. Auflage: (VSA) Westberlin 1973. Weitere Auflagen (Industrie-Geschichte und Stadtgeschichte von Oberhausen und der Siedlung. Untersuchung, Ausstellung in Buchform und Rezeption).